Eine meiner Lieblingstextzeilen aus einem Popsong stammt aus dem Dire Straits Klassiker “brothers in arms”.
Dort heißt es "... and we have just one world, but we live in different ones". Diese Weisheit lässt sich auf viele Lebensbereiche übertragen, so natürlich auch auf die Börse:
Wenn man Value Anleger und Growth Anleger so betrachtet, könnte man auf die Idee kommen, dass diese in unterschiedlichen Welten leben. Die einen kaufen das, was zurückgeblieben ist, die anderen das, was aufgrund Wachstumsfantasie richtig gut läuft und entsprechend teuer ist.
Während der Value Anleger ein klassischer Schnäppchenjäger ist, der sich auch zutraut, Unterbewertungen an den Märkten zu erkennen, geht der Growth Anleger davon aus, dass die Preisfindung an den Märkten schon im Großen und Ganzen in Ordnung ist.
Vielleicht muss man als Value Anleger durchaus auch ein Stück arrogant sein im Sinne von Kostolanys Ausspruch "Alle anderen sind Dummköpfe - nur ich weiß es besser".
Ob nun das eine oder andere besser sei, wurde ich kürzlich gefragt. Das ist schwer zu sagen ... ich glaube, dass man auf beide Arten gutes Geld verdienen kann.
Value Investing
Beim Value Investment ist das Wichtigste nach meinem Dafürhalten nicht in sogenannte “value traps” zu tappen. Wenn man immer nur kauft, was (scheinbar) billig ist, besteht die Gefahr, dass man am Ende des Tages nur mäßige Qualität und “Rohrkrepierer” im Depot hat.
Wenn man allerdings immer auch auf die Qualität der Aktie (z.B. in Form von kontinuierlichen Umsatz- und Gewinnsteigerungen über viele Jahre, bleibende oder steigende Margen, Marktposition usw.) im Blick hat, lassen sich durchaus richtig gute Deals machen.
So habe ich z.B. im Jahr 2015 die Apple-Aktie extrem günstig "eingesammelt", als nach Enttäuschungen über die Quartalszahlen sich auf einmal die Begeisterung für den Wert insgesamt legte. Auf einmal argumentierten Analysten, die vorher positiv gestimmt waren, dass auch der Ausblick nicht so rosig sei, weil bei Apple weit und breit kein “next big thing” in Sichtweite sei.
Fundamental war der Wert allerdings so günstig bewertet, dass ich selbst ohne "next big thing" ein lockeres Verdopplungspotenzial sah.
Die Rechnung ging auf. Heute liegt diese Position bei mir mit über 500% plus im Depot.
Vorsicht ist allerdings, wie oben schon angedeutet, dann geboten, wenn ein fundamental (scheinbar) günstiger Wert, was die Umsatz- und Gewinnentwicklung anbetrifft, plötzlich auf der Stelle tritt. (Hierbei betrachte ich jedoch immer Jahreswerte, niemals nur Quartalszahlen).
Dies konnte ich bei IBM beobachten, den ich vor vielen Jahren als Turnaround mit der Hoffnung auf Besserung gekauft hatte. Es wurde aber einfach nicht besser. Mit etwas Glück konnte ich IBM mit einem Gewinn von 30% loswerden. Als langfristiges Investment war IBM aus meiner Sicht ungeeignet. Auch ein aktueller Blick unter Einbeziehung der 2022er-Zahlen ändert nichts an meiner Einschätzung.
Growth Investing
Noch wichtiger ist das Wachstum bei Umsatz und Gewinn, jedoch für sogenannte Growth-Anleger. Solange das Wachstum stimmt, sind diese bereit, hierfür auch einen hohen Preis zu bezahlen, der einem Value-Anleger viel zu hoch wäre.
Wenn beim Growth Investing ein Momentum beziehungsweise Trendfolge-Ansatz gewählt wird, wird normalerweise auch die mittelfristige technische Verfassung z.B. über ein Jahr betrachtet. Hier sollte sich der Wert technisch in einem Aufwärtstrend befinden.
Interessant fand ich in diesem Zusammenhang, dass Dr. Andreas Beck in einem Interview einmal ausführte, warum die meisten Investoren, ob gewollt oder durch Zwänge (bei institutionellen Anlegern) eigentlich Momentum-Anleger sind und die wenigsten einen Valueansatz verfolgen. Nach genauerem Überlegen denke ich, dass er hiermit recht hat. Grund hierfür dürfte sein, dass Value-Investing häufig einen langen Atem erfordert, den Privatinvestoren oft nicht haben und Institutionelle oft nicht haben können, da sie sich quasi ständig gegenüber ihren Anlegern rechtfertigen müssen, wenn eine Investmentthese nicht so schnell aufgeht.
Fazit:
Am Ende des Tages geht es aus meiner Sicht bei der Frage Value oder Growth wieder einmal mehr darum, wie man selbst gestrickt ist und welche Investmentphilosophie man dauerhaft über Dekaden durchhalten kann. Gutes Geld kann mit beiden Ansätzen verdient werden.
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