IW Innerer Wert - Eine kritische Analyse

Der innere Wert: Eine kritische Analyse und meine praxiserprobten Alternativen

 

Die Suche nach dem „wahren“ Wert einer Aktie, dem sogenannten inneren Wert, beschäftigt viele Anleger. Auch ich habe mich kürzlich wieder intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und diverse Berechnungen angestellt, bin aber zu einem eher skeptischen Fazit gekommen. 

 

In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen und die Strategien teilen, die sich für mich in der Praxis als wertvoller erwiesen haben.

 

Die Tücken klassischer Bewertungsmodelle

Ich habe mir verschiedene bekannte Methoden zur Berechnung des inneren Wertes angesehen, darunter das 

 

Rule-Number-One-Modell von Phil Town und 

 

ein Modell von Peter Lynch. 

 

Das Ergebnis war oft ernüchternd: Die berechneten inneren Werte und die daraus abgeleiteten fairen Kaufkurse nach Sicherheitsabschlag waren teilweise so weit von der Realität entfernt, dass man sich fragen muss, ob man jemals die Gelegenheit bekommt, zu diesen Preisen in eine Aktie einzusteigen.

 

Diese Erfahrung bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass es oft zielführender ist, auf das große Ganze zu schauen. Meine eigene Systematik, die auf Indikatoren wie „Fear and Greed“ und generellen Marktbewertungen (Discounts) basiert, hat sich hier als effektiver erwiesen. Anstatt auf einen theoretischen Wert zu warten, achte ich darauf, wann die Märkte insgesamt günstig sind. 

 

(So bin ich beispielsweise während des Corona-Crashs in Qualitätsaktien wie McDonald's, Starbucks und Yum Brands eingestiegen, als alles nach unten geprügelt wurde.)

 

Das Ergebnis: relativ schnelle Verdopplungen in all diesen Werten.

 

 

Ein realistischerer Ansatz? Die Fastgraphs-Methode

Eine dritte Methode, die ich analysiert habe, stammt von Fastgraphs und wurde vom „Kessel Trader“ mal in einem Video sehr anschaulich vorgestellt. 

 

Diese Berechnung ist dynamischer und passt die Bewertungsformel an das Gewinnwachstum (G) des Unternehmens an:

 

• Bei geringem Wachstum wird eine Graham-Formel verwendet: KGV = 8,5 + 2 x G.

• Bei einem Gewinnwachstum zwischen ca. 3,5 % und 15 % wird ein festes KGV von 15 angenommen.

• Bei einem Wachstum von über 15 % wird das KGV dem Gewinnwachstum gleichgesetzt (z. B. 25 % Wachstum = KGV von 25).

 

Dieses Modell hat meiner Meinung nach die realistischsten Werte geliefert. 

 

 

Dennoch bleibt meine grundsätzliche Skepsis bei allen Berechnungen des inneren Wertes bestehen.

 

Das Grundproblem: Die Annahme der Fehlbepreisung

Alle Modelle zum inneren Wert basieren auf der Annahme, dass der Markt Aktien falsch bepreist. Aber mal ehrlich: Angesichts der unzähligen Analysten, die den Markt beobachten, ist es in normalen Marktphasen schwer vorstellbar, dass eine Aktie wie Visa oder Apple signifikant fehlbepreist ist.

 

Echte Chancen für Fehlbepreisungen ergeben sich meiner Erfahrung nach vor allem in zwei Szenarien:

 

1. Der gesamte Markt ist am Boden, wie während einer Krise.

 

2. Ein Unternehmen enttäuscht mit seinen Quartalszahlen, was zu einem kurzfristigen Abverkauf führt.

Solche Momente der Enttäuschung habe ich genutzt, um bei Werten wie Apple, Alphabet und McDonald's einzusteigen. Meine Strategie hierfür hat bisher gut funktioniert: Wenn eine Aktie aufgrund einer Enttäuschung nachhaltig unter ihre 200-Tage-Linie fällt, beginne ich mit einem wöchentlichen Sparplan, bis sie sich wieder erholt und wieder nachhaltig über die 200-Tage-Linie steigt. (Ich habe euch den dazu passenden Blogartikel anbei verlinkt: Qualitätsaktien systematisch günstig kaufen )

 

 

Mein Fazit: Einfache Kennzahlen und die „Fuß in die Tür“-Strategie

 

Nach all den Analysen komme ich zu dem Schluss, dass komplexe Berechnungen des inneren Wertes keinen echten Mehrwert gegenüber klassischen, einfachen Value-Kennziffern bieten. Ein Blick auf das normale KGV, idealerweise in Kombination mit dem PEG-Ratio (PEG und PEGY), sowie auf das KUV, KBV und KCV gibt mir bereits einen sehr guten Eindruck, wie teuer eine Aktie ist.

 

 

Doch was tun, wenn eine Aktie, die man für gut befindet, nach allen Kennzahlen massiv überbewertet erscheint? Hier hat sich für mich die „Fuß in die Tür“-Strategie bewährt.

 

Ein perfektes Beispiel ist mein Kauf von Nvidia. Ich habe damals eine Aktie zum Kurs von 150 € gekauft, obwohl mir bewusst war, dass sie schon zu diesem Zeitpunkt sehr teuer bewertet war. Doch dieser kleine Einstieg hat sich gelohnt: Die Position ist heute über 1.000 € wert.

Die Logik dahinter ist simpel:

• Wenn man von einem Unternehmen überzeugt ist, aber die Bewertung hoch ist, kann man mit einer kleinen Summe (z. B. 150 € bis 350 €) einen “Fuß in die Tür” stellen.

 

• So nimmt man an der weiteren Entwicklung teil. Oft entwickeln sich vielversprechende Unternehmen, die sehr teuer sind, noch deutlich nach oben und werden noch viel teurer.

(Das ist mir kürzlich erst bei Palantir so gegangen, wo ich 351 € investierte, welche mittlerweile über 3.700 € wert sind.)

 

• Sollte die Aktie tatsächlich überteuert gewesen sein und korrigieren, ist das kein Problem. Im Gegenteil: Man wollte ohnehin eine größere Position aufbauen und kann nun zu günstigeren Kursen nachkaufen.

 

 

Diese Strategie kann also ebenfalls sehr gut funktionieren und verhindert, dass man bei großartigen Unternehmen aus reiner Bewertungsangst 

für immer an der Seitenlinie steht und nie einen Einstieg findet.

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